Augenakrobatik

Zum Abendbrot schlage ich mir den Magen voll. Ich esse anderthalb Schnitzel. Danach noch Kuchen. Und danach gibt der freundliche Wohler mir noch ein Stück von seiner Pizza ab.
Ich möchte mit einem vollen Magen schlafen gehen, denn morgen vormittag wird es erst einmal nichts zu essen geben. Mein Magen muss nüchtern sein, wenn ich auf dem OP-Tisch liege.
Mein Auge, genauer: die Netzhaut, soll operiert werden. Die Diagnose lautet: "Inferior gelegene Ablatio retinae ohne Makulabeteiligung" - wenn jemand von euch was damit anfangen kann...

Ich schlafe gut. Der Wecker klingelt um 06:30 Uhr. Schnell aufstehen, anziehen, Zähne putzen. Lars fährt mich in die Augenklinik. Noch bin ich nicht aufgeregt.

Es folgen ein paar Voruntersuchungen. Die Assistenz-Ärzte und die Arzthelferinnen kenne ich mittlerweile schon alle. Ich bekomme Tropfen in die Augen. Erst zwei Mal, später kommen dann weitere Tropfen hinzu. Die sollen meine Pupille weiten, damit die Netzhaut besser sichtbar wird.
Schließlich werde ich zum Narkosearzt geschickt, ein Ostfriese, der den ganzen Tag auf Socken läuft und nur Tee trinkt - keinen Kaffee.

Schließlich bin ich dann doch etwas aufgeregt. Ich liege auf dem OP-Stuhl. Eine Kanüle in meinem linken Arm - am rechten das Pulsmessgerät. Der Ostfriese gibt einer Schwester Anweisungen, was sie alles in mich reintropfen lassen soll. Dabei legt er seinen Arm auf meine Schulter und sagt: "Wir bleiben die ganze Zeit bei Ihnen und passen auf Sie auf."
Dieser einfache Satz und seine Hand auf meiner Schulter beruhigen mich ungemein. Dann spüre ich das Kribbeln. Erst im Arm und dann auch im Gesicht.

Ich fange an zu träumen. Irgendwas. Ich weiß nicht mehr, worum es ging. Dann wache ich auf und mein Mann, Lars, sitzt schon neben mir.
"Habe ich geschnarcht?", frage ich.
"Nein", sagt er und steckt mir meinen Ehering auf den Finger.

Inzwischen geht es meinem Auge schon viel besser. Es ist noch sehr rot und ich fühle mich, als hätte mir jemand eine runtergehauen. Aber das wird schon wieder...
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